Consumers Delight / Dr. Hanneke Heinemann

DeDe Handon – Consumer’s Delight

Metallgitterstäbe beherrschen Vordergrund und Bildmitte, dahinter erscheinen bisweilen kaum sichtbar leere oder befüllte Regale – die Gegenstände in DeDe Handons Werkreihe Consumer’s Delight erschließen sich meist erst nach einer tastenden Erkundung des Bildmotives. Einige Blätter können zunächst in ihrer linearen Perspektive und kalkuliert ausbalancierten Anordnung wie Architektur erscheinen. Wird jedoch zwischen den Stäben eine bekannte Handelsmarke sichtbar, klärt sich die Situation schnell: Der Betrachter blickt durch leere Einkaufswagen auf die Regale eines Supermarktes. Auch die Technik der Arbeiten, die malerisch und fotografisch zugleich anmuten, wirft zunächst Fragen auf. Verzerrungen und unscharfe Zonen verweisen auf fotografisches Material, das DeDe Handon ungewöhnlich einsetzt. Sie lässt Farbverschiebungen und Fehlstellen im Druck zu, vermeidet Hochglanzpapier und nimmt stattdessen für diesen Prozess nicht vorgesehenes Transparentpapier, wobei sie spontan dabei entstehende Risse und Faltenbildungen als Bestandteil des Werkes akzeptiert. Mehrere Blätter und Schnipsel dieses vergleichsweise fragilen Farbträgers collagiert sie mit feinem Gespür für Rhythmus und Texturen auf festeren Blättern. Manchmal reißt sie auch Schichten wieder ab, wobei Teile der Farbe noch auf dem Untergrund verbleiben, die eine oft schemenhafte Ahnung des verschwunden Blattes hinterlassen. Die Materialität von Farbe und Papier bleibt immer präsent. Mag diese Herangehensweise zunächst an Ansätze und Techniken von avantgardistischen Bewegungen wie die Pop Art erinnern, steht vielmehr ein intensives Erspüren des Bildes durch variantenreiches Erkunden des Motiv dahinter. Supermärkte und Konsumtempel sind gern genutzte Motive in der modernen Fotografie. Ein prominentes Beispiel sind die „99-Cent“-Bilder von Andreas Gurkys, der sich ähnlich wie DeDe Handon eher als Maler denn als Fotograf sieht. Jedoch unterscheidet beide die Herangehensweise: Schafft Gursky durch Bildbearbeitung perfekt wirkende Bilder, in denen er Irritationen durch den Montageprozess vermeidet, gehören für DeDe Handon die kalkulierten Imperfektionen des Herstellungsprozesses zur tieferen Aussage des Werkes. Verblichen wirkende Stellen und Risse weisen subtil auf die Endlichkeit menschlichen Tuns hin und ziehen den thematisierten Konsumgenuss in Zweifel: Die Aussage des Titels wird so in sein Gegenteil verkehrt. Einkaufsfreude wird zudem unmöglich durch die Gitter, die Blick und Zugriff auf die Ware verhindern. So wird die ungewöhnliche Darstellung einer alltäglichen Einkaufssituation zu einer starken Konsum- und Zivilisationskritik. Da ist es passend, dass Arbeiten der Serie samt einer großen Wandcollage zunächst in einem nach Insolvenz leerstehenden Drogeriemarkt ausgestellt wurden. Doch auch außerhalb solch eines Kontextes faszinieren die Werke mit ihrem menschlichen Anspruch und ihrer unaufdringlichen Ästhetik, die nicht nur in Europa verstanden wird.

Dr. Hanneke Heinemann