Zu meinen Collagen
Wir leben heute in einer Zeit der Bilderflut, die durch alle Medien und Zeitungen über uns hereinbricht. Ich setze mich in meinen Arbeiten mit dem Konstrukt der Wirklichkeit, die unser Geist erschafft und dessen Wahrnehmungen auseinander. Die Realitäten, die wir wahr- nehmen, sind keine unmittelbaren Abbildungen einer objektiven Außenwelt. Es tauchen Fragen auf: Wo verorten sich gesehene Objekte, Eindrücke und Erinnerungen in unserem Gedächtnis? Wie können unsere Gedanken und Assoziationen räumliche Strukturen an- nehmen? Meine Mind Map Collagen sollen diese sichtbar machen.Ich habe damit begonnen, Fotografien und Abbildungen aus Zeitungen zu sammeln, weil mich im Unterschied zu den Hochglanzbilderdruckpapieren, die Ästhetik von Farben der Fotos auf diesem rauen, eher matten und offenen Zeitungsdruckpapier angesprochen hat.
Auf den gesammelten Fotos habe ich sodann alles eingeschwärzt, um lediglich die für mich prägnanten Bildelemente zu isolieren, die mich motiviert hatten, genau dieses Foto in meine Sammlung aufzunehmen. Die eingeschwärzten Bilder waren also einerseits als Ganzes vorhanden, sichtbar jedoch waren nur noch kleine Elemente, Bildausschnitte, Muster und Strukturen. Bei der Sichtung dieses scheinbar unsortierten Konvoluts, habe ich mich dann abermals gefragt: Wie funktioniert Erinnerung? Wo sind die Bilder meiner Sammlung im Erinnerungsspeicher meines Kopfes abgelegt? Und wie funktioniert der Zugriff auf diese Abbilder? Ist aus diesen unzähligen Fotos meiner Sammlung auch ein inneres Raumgebilde entstanden? Und wie sieht dieses aus, wenn ich nur an einen Teil des Bildes denke? Denke ich dann zwangsläufig auch an ein anderes Teil? Welches Teil führt zu einem anderen Teil und wie fügt mein Gehirn das Ganze zu einem völlig neuen Bild zusammen?
Um das genauer zu untersuchen, habe ich damit begonnen, die Gebilde im Kopf, diese Hirngespinste, analog wieder zusammenzusetzen, zu verknüpfen und zu einem neuen Bild zu formieren. Diese Neuformierung kann man sich vorstellen wie ein großes Puzzel nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass es für die vielen Puzzelsteine keine Vorlagen gibt. Das neue Bild entsteht vielmehr durch den ständigen Perspektivwechsel, dem Abgleich zwischen den selektierten Bildelementen auf dem Arbeitstisch und den Erinnerungsbildern im
Kopf. Vergleichbar ist dieser Prozess mit Träumen. In unseren Träumen setzen sich unsere erlebten Erfahrungen zuweilen zu absurden und kaum nachvollziehbaren Bildern oder Filmen zusammen, und wenn man aufwacht, fragt man sich nicht selten: Wer hat denn hier die Regie geführt? Ganz ähnlich funktioniert mein Arbeitsprozess.
Aus meiner Sammlung suche ich zunächst nach Bildelementen, die sich gut verknüpfen lassen. Das können technische Teile oder Architekturelemente sein. Es können organische Strukturen wie Äste, Zweige, Bäume, Bewuchs oder Bepflanzungen sein, aber auch ab- strakte Formen und Farben. Diese Elemente, die Fülle dessen, was ich gesehen, erlebt und gesammelt habe, steuern bei der Bildfindung die assoziative Formgebung oder leiten sie in ganz bestimmte Richtungen. Gesehenes, Gefundenes, Extrahiertes, erworbenes Wissen und Emotionales, dies alles reichert sich in mir an, um sich dann in neuer Form zu visualisieren. Wichtig ist mir dabei, dass die Autonomie des ausgeschnittenen Bildes unter der eingefärbten Schicht – sei sie nun schwarz oder in einer anderen Farbe – immer noch vorhanden bleibt. Die isolierten Bildelemente formieren sich also zu einer neuen Bildaussage. Der dar- unterliegende Bildkontext bleibt aber erhalten und wird durch die sichtbaren Schnittkanten der Einzelbilder markiert, die meine Collagen wie ein feines Raster überziehen.